Ein Gespenst geht um. Protestbewegung in Kreuzberg 1970-1984

Wann

19. September 2023    
19:00

Wo

Vorhaltefläche am Ostkreuz
Alt-Stralau 68, Berlin

Seit den späten 1960er Jahren geht ein Gespenst um in Kreuzberg – es ist die Angst vor der Kahlschlagsanierung und der Zerstörung gewachsener Strukturen.1963 war die Gegend zwischen Kottbusser Tor und Mariannenplatz zum Sanierungsgebiet erklärt worden. Was der Krieg hier nicht vermocht hatte, sollen jetzt die öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften im Zusammenspiel mit privaten Investoren übernehmen: Flächenabriss und Neubau als stadtplanerisches Programm. Leistungsfähige Straßenverbindungen für den Individualverkehr sollen Mobilität garantieren. Auf dem Oranienplatz wird ein Autobahnkreuz geplant, die Trasse nach Norden ist zunächst nur bis zur innerstädtischen Grenze projektiert. Nach der Wiedervereinigung will man dahinter weiterplanen. Die angestammte Bevölkerung verlässt das Quartier, zieht in neu errichtete Trabantenstädte. Freiwerdende Wohnungen stehen leer oder werden nur noch befristet vermietet, „längstens bis zum Abriss“ – wie es in den Mietverträgen damals heißt. Die neuen Bewohner sind ausländische Arbeitnehmer und Studenten, die billigen Wohnraum brauchen; Künstler und Lebenskünstler, die neben den niedrigen Mieten vor allem die großen Flächen leer stehender Fabrik etagen schätzen und aus Westdeutschland zugezogenen Jugendlichen, die dem Kleinstadtmief entkommen wollen. So entsteht in dieser Zeit – um 1970 – in dem alten Postzustellbezirk SO 36 eine besondere Bevölkerungsmischung, die das Quartier bis heute prägt.Von den Neu-Kreuzbergern und ihrem Aufbegehren, das in Kreuzberg schließlich zu einer Kehrtwende in der Sanierungspolitik geführt hat, handelt diese Dokumentation.